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Interview: Hochschulen bieten viel Potenzial für Zusammenarbeit im sozialen Sektor
Wenn von Hochschulen und Wissenstransfer die Rede ist, geht es häufig um den Austausch mit Akteuren innerhalb der Wirtschaft. Aber auch zwischen Hochschulen und Non-Profit-Organisationen gibt es Möglichkeiten der Zusammenarbeit. Anja Klinner, wissenschaftliche Mitarbeiterin im TransInno_LSA-Teilprojekt MPASS, hat mit Babette Friedrich vom Diakonischen Werk im Kirchenkreis Halberstadt e.V. gesprochen. Im Interview erzählt diese ihre Sicht auf die Zusammenarbeit zwischen Hochschulen und Organisationen im sozialen Sektor.
AK: Frau Friedrich, Sie haben vor kurzem die Leitung des Sozialen Dienstes im Diakonischen Werk übernommen. Wo haben Sie zuvor Erfahrungen in der Sozialen Arbeit gesammelt? Und welche Berührungspunkte hatten Sie mit Hochschulen?
BF: Meine bisherigen beruflichen Stationen waren vorwiegend im Non-Profit-Bereich – dem sozialen Sektor – in der Familienbildung, der Frauenarbeit, in der offenen Jugendarbeit sowie der stationären Kinder- und Jugendhilfe aber auch der Klinischen Suchthilfe. Um meine beruflichen Qualifikationen an den aktuellen gesellschaftlichen Transformationsprozessen anzupassen, die sich auch auf den Arbeitsmarkt auswirken, habe ich Soziale Arbeit berufsbegleitend studiert und war als stellvertretende Hochschulsprecherin aktiv an der Gestaltung des Hochschullebens beteiligt. Aktuell bin ich neben meiner Tätigkeit beim Diakonischen Werk als Masterstudentin an der Alice Salomon Hochschule in Berlin immatrikuliert.
Sie haben demnach Erfahrungen sowohl an Hochschulen als auch in der Praxis gesammelt bzw. sind sogar immer noch mit beiden Welten verbunden. Welche Überschneidungen stellen Sie zwischen Organisationen im sozialen Sektor und Hochschulen fest? Wie können beide Seiten voneinander profitieren?
Zunächst einmal bilden Hochschulen unsere Fachkräfte aus. Diese bringen im besten Fall aktuelles Forschungswissen, Neugier auf den Beruf, eine hohe Motivation und frische Ideen mit. Weiterhin ist in der Sozialen Arbeit in einigen Bundesländern ein Anerkennungsjahr verpflichtend. Dabei absolviert man nach Abschluss seines Studiums noch ein Berufspraktikum, um die staatliche Anerkennung zu erlangen. Daraus ergibt sich eine Schnittstelle zwischen den Hochschulen und der Praxis der Sozialen Arbeit. Zusätzlich sind Hochschulen aber auch ein wichtiger Impulsgeber für Weiterbildungen.
Schließlich evaluieren Hochschulen in studentischen Projekten oder Abschlussarbeiten erprobte Konzepte aus der Praxis. Sie entwickeln aber auch neue Angebote. Auf dieser Grundlage können Konzepte weiterentwickelt, angepasst oder professionalisiert werden. Beispielsweise habe ich in meiner Bachelorarbeit ein neues, bisher wenig erforschtes Projekt aus der Praxis untersucht – das sozialpädagogische Pilgern mit straffällig gewordenen jungen Menschen. Die gewonnenen Ergebnisse helfen sowohl den Sozialpädagoginnen und Sozialpädagogen in der Einrichtung als auch der Wissenschaft. Hierbei können Forschungslücken geschlossen werden und es entsteht ein Theorie-Praxis-Dialog bzw. ein Theorie-Praxis-Transfer. Dieser ist wichtig für die Qualität der Arbeit und die Erprobung und Etablierung neuer Methoden.
"Die gewonnenen Ergebnisse helfen sowohl […] in der Einrichtung als auch der Wissenschaft. Hierbei […] entsteht ein Theorie-Praxis-Dialog bzw. ein Theorie-Praxis-Transfer.“
Es zeigt sich, dass es einige Synergien zwischen Hochschulen und Organisationen im sozialen Sektor gibt. Wo sehen Sie dennoch Verbesserungsbedarf?
Es gibt gute Beispiele, die zeigen, wie Zusammenarbeit funktionieren kann. Es braucht aber insgesamt mehr Schnittstellen. Ich kehre nochmal zum Anfang des Gesprächs zurück. Während des Studiums gibt es Praxisphasen, beispielsweise durch studentische Projekte und Abschlussarbeiten, und somit einen gewissen Theorie-Praxis-Dialog. Jedoch endet dieser häufig mit dem Eintritt ins Berufsleben. Dabei bieten sich viel mehr Möglichkeiten für eine Zusammenarbeit, die noch nicht genutzt werden.
Im Projekt MPASS entwickeln wir eine digitale Matching-Plattform als Portal zur Hochschulwelt. Inwiefern könnte damit, Ihrer Ansicht nach, die Zusammenarbeit zwischen Organisationen im sozialen Sektor und Hochschulen unterstützt werden?
Beispielsweise könnte eine solche Plattform dabei helfen, Team-Tandems zu bilden, die Personen aus der Wissenschaft und Praxis zusammenbringen. Diese könnten dann gemeinsam Projekte begleiten und auch neue entwickeln. Außerdem könnten Studierende praxisrelevante Themen für Abschlussarbeiten finden. Dadurch entsteht eine gute Möglichkeit für einen Wissenstransfer in die Praxis sowie die Evaluierung von Praxisprojekten. Ein Austausch zwischen Theorie und Praxis ist elementar, damit studentische Projekte in die Tat umgesetzt werden können. Hierbei könnte die Plattform eine Schnittstelle darstellen, indem Studierende auf neue Angebotsformen aufmerksam gemacht werden.
"Beispielsweise könnte eine solche Plattform dabei helfen, Team-Tandems zu bilden, die Personen aus der Wissenschaft und Praxis zusammenbringen."
Was würden Sie sich für die Plattform noch wünschen?
Eine aktive Beteiligung der interessierten Akteure und Austauschmöglichkeiten sind wichtig. Die Plattform könnte beispielsweise auch auf Netzwerkkonferenzen aufmerksam machen. Schließlich kann ich mir noch einen Newsletter oder ein Intranet vorstellen.
Vielen Dank, Frau Friedrich, für das Interview und Ihre Anregungen aus der Sicht des sozialen Sektors.
Das Diakonische Werk im Kirchenkreis Halberstadt e.V. ist 1993 aus dem Diakonieverein und dem Diakonischen Werk hervorgegangen. Es setzt sich heute mit rund 420 Mitarbeitenden in über 20 Einrichtungen für hilfebedürftige Menschen in unterschiedlichen Lebenslagen ein. Zu den Angeboten gehören beispielsweise die Stationäre Altenpflege, die Familienberatung und der Soziale Dienst. Weitere Infos unter www.diakonie-halberstadt.de.